Amcure entwickelt Lackmustest für neuen Krebswirkstoff
Im Jahr 2004 kam Alexandra Matzke-Ogi am Institut für Toxikologie und Genetik des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) einem Molekül auf die Spur, das zu einer neuen Hoffnung für Krebspatienten werden könnte. Bis zur Firmengründung forschte sie am KIT zusammen mit den beiden Wissenschaftlern Helmut Ponta und Véronique Orian-Rousseau an diesem Molekül zum möglichen therapeutischen Einsatz in der Krebstherapie, das zumindest im Tierversuch Tumore und Metastasen einzudämmen vermag.
Wirkungsweise
Im Kern blockiert das von den Forschern identifizierte Peptid einen tumorspezifischen Steuermechanismus, der Krebszellen daran hindern soll, zu wachsen und Metastasen zu bilden und aufrecht zu erhalten. Inzwischen untersucht das aus dem Projekt hervorgegangene Jungunternehmen amcure GmbH in klinischen Tests die Wirkung der Substanz am Menschen. Bis es so weit gekommen war, bedurfte es einer langen Reihe von Finanzierungsschritten durch öffentliche Förderung und den Einstieg institutioneller Investoren. Sollten die Studien die Wirksamkeit des neuen Medikaments nachweisen, winkt den Investoren der erfolgreiche Exit durch den Einstieg eines globalen Pharmaunternehmens.
„Im Jahr 2008 hatte das Projekt einen Stand erreicht, an dem eine Weiterführung rein in der Grundlagenforschung nicht mehr sinnvoll erschien und die Frage aufkam, wie man das Molekül in die weitere Entwicklung bis hin zu einem marktfähigen Produkt bringen könnte“, erinnert sich Alexandra Matzke-Ogi. Anfang 2011 trat Matthias Klaften mit auf den Plan, der damals im Innovationsmanagement des KIT tätig gewesen ist, das wissenschaftliche Projekte mit hohem Marktpotenzial bei der Ausgründung unterstützt.
Gründung – und dann?
Klaften, von Haus aus Biologe und erfahren in Finanzierungsfragen, wurde zum „Außenminister“ des Projekts, der sich um die Geschäftsplanung und die Investorensuche kümmerte und später mit der Gründung selbst bei amcure einstieg. Noch vor der eigentlichen Firmengründung konnte 2008/2009 der Helmholtz Enterprise Fonds für eine erste Förderung in Höhe von rund 250.000 Euro gewonnen werden. Wenig später gelang es mit Exist Forschungstransfer, ein Förderprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi), eine weitere Finanzierungstranche in der Größenordnung von 700.000 Euro an Land zu ziehen. Im Rahmen dieses Programms erfolgte schließlich Ende 2011 mit der eigentlichen Gründung der amcure GmbH der Schritt, das Projekt aus der Forschung heraus zu finanzieren und als Spin-off des KIT in ein eigenständiges Unternehmen zu überführen.
Matzke-Ogi zeichnet seitdem als Geschäftsführerin für die wissenschaftliche Leitung verantwortlich, und Klaften übernahm als Startup-CEO die Geschäftsführung auf der wirtschaftlichen Seite. Als Dritter im Bunde der Geschäftsleitung stieß Klaus Dembowsky 2015 zu dem Team, der seither als CEO agiert und sich nicht zuletzt aufgrund seiner 25-jährigen Branchenerfahrung auch in der Rolle eines Mentors für das Jungunternehmen sieht. „Nach der Firmengründung standen wir vor der Aufgabe, Investoren für Wagniskapital für unser sehr frühes Projekt mit Entwicklungspotenzial in einer risikobehafteten Branche zu gewinnen“, beschreibt Klaften, inzwischen COO und CFO, die Herausforderungen für den nächsten, damals anstehenden Finanzierungsschritt.
Aus dem Labor in den Markt
Um welche Dimension es dabei im Biotech- und Pharmabereich in der Regel handelt, macht Dembowsky klar. „Um erkennen zu können, ob das eigene Forschungsprojekt Früchte trägt, bedarf es eines zweistelligen Millionenbetrags zwischen zehn und zwanzig Millionen Euro“, sagt der Branchenkenner und veranschlagt für diesen Prozess einen Zeitraum von vier bis sechs Jahren. Zwar machte das amcure-Team, das weiter mit der Forschungsgruppe am KIT zusammenarbeitet, große Fortschritte in der Forschung am Tiermodell. Allerdings fehlte es an Daten für die eigentliche Medikamentenentwicklung. Daher machte man sich von 2012 an intensiv auf Kapitalsuche und stellte das Projekt auf einer Roadshow bei potenziellen Venture Capital-Gebern, institutionellen Investoren und Family Offices vor. Die stets parallel verlaufenden Gespräche und Verhandlungen, bei denen die Interessenten immer sorgfältig Chance und Risiko gegeneinander abgewogen haben, zogen sich zwei Jahre in die Länge.
„Es wollte lange keiner als Erster ins Wasser springen“, erinnert sich Klaften, bis sich Ende 2013 „endlich ein Fenster auftat“, wie er sagt. So war es die LBBW Venture Capital GmbH, die LBBW-Tochter für Venture Capital und Technologiebeteiligungen, die schließlich den Lead übernommen und ein Konsortium aus Wagniskapitalgebern zusammengeschmiedet hat. Bereits im Juni 2012 war beim Hightech Gründerpreis CyberOne, bei dem amcure den zweiten Platz belegte und den Sonderpreis des Landes Baden-Württemberg für die beste Forschungskommerzialisierung erhielt, ein Kontakt zu Senior Investment Manager Harald Poth von der LBBW Venture Capital zustande gekommen, der sich nun auszahlen sollte. Unter Führung der LBBW Venture Capital fand sich im Juli 2014 ein Konsortium aus den folgenden Kapitalgebern:
- LBBW Venture Capital
- MBG Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Baden-Württemberg
- S-Kap, die Beteiligungsgesellschaft der Sparkasse Pforzheim Calw
- BioM AG Munich BioTech Development in Martinsried
- die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW)
- Privatinvestoren, unter anderem aus Baden-Württemberg
Finanzierung: Status Quo
Unterm Strich wurde auf diese Weise eine Finanzierung in Höhe von mittlerweile sechs Millionen Euro eingesammelt. Den Gründern gelang es parallel, signifikante Mittel des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) aus dem Förderprogramm „Spinnovator“ bewilligt zu bekommen. „Diese Förderung war eine günstige Voraussetzung dafür, dass das Konsortium schließlich ingestiegen ist“, erklärt Klaften. Nachdem Dembowsky zu dem Team gestoßen war, gelang es mit diesem Finanzierungspaket in kurzer Zeit, die regulatorisch notwendigen Studien für eine erste Testung am Menschen erfolgreich zu absolvieren. Angesichts des, wie das Management sagt, bisherigen großen Erfolgs des Projekts sei eine Aufstockung des Investments notwendig und wird „als sehr wahrscheinlich“ angesehen. Weitere Investitionen werden benötigt, um die begonnene klinische Studie bis Ende 2018 zum Abschluss zu bringen. „Bis dahin gehen wir davon aus, anhand früher klinischer Daten zeigen zu können, dass unser Wirkstoff auch am Menschen funktioniert“, erläutert Matzke-Ogi. Da die Übertragung der Ergebnisse von Tierversuchen auf den Menschen nur eingeschränkt möglich sei, müsse man das Mittel klinisch testen. In der laufenden klinischen Studie soll der „Proof of Concept“ für die Behandlung bestimmter Tumorerkrankungen erbracht und damit eine erste Abschätzung der Wirkung nach Behandlung von etwa 50 Patienten gezeigt werden.
Nächste Schritte
Doch was folgt danach? Fünf Jahre später, also 2023, kann das von amcure entwickelte Medikament eine Marktzulassung erhalten. Aber dazu braucht es in der investitionsintensiven Biotech- und Pharmabranche nochmals eine imposante Summe in Höhe von rund 100 Millionen Euro. Um diese höchste Stufe der Finanzierung aber stemmen zu können, benötigt das Jungunternehmen einen großen, finanzkräftigen Partner aus der Industrie, etwa aus den USA, vielleicht auch aus Deutschland oder der Schweiz. „Wir pflegen jedenfalls bereits heute gute Kontakte zu einschlägigen Firmen“, so Dembowsky. Zunächst aber gilt es für amcure, die erste klinische Studie am Menschen durchzuführen und die Wirksamkeit des Medikaments wissenschaftlich nachzuweisen. Die bisherigen Investoren glauben jedenfalls an den Erfolg und wollen das Projekt weiter unterstützen, sagt Klaften. Und wenn dann tatsächlich ein Großer der Branche amcure eines Tages aufkaufen würde, hätte sich für alle Beteiligten ihr Engagement und das damit verbundene Risiko bezahlt gemacht. Und für viele Krebspatienten
könnte sich eine Hoffnung erfüllen.
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