Interview mit Adrian Thoma (Vorstandsmitglied des Bundesverbands Deutsche Startups e.V.)
1983 in Heilbronn geboren, studierte Adrian Thoma an der Hochschule für Medien. 2008 gründete er in Stuttgart sein erstes Startup Simpleshow, das mit leicht verständlichen Erklärvideos weltweit Erfolg hat. 2013 verkaufte er Simpleshow und gründete die Pioniergeist GmbH, die Startups in Partnerschaft mit etablierten Firmen aufbaut. Als Mitglied im Bundesvorstand des Bundesverbands Deutsche Startups e.V. gibt Thoma zudem Startups eine politische Stimme.
Herr Thoma, das Startup-Umfeld in der Region Stuttgart wurde in einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung PwC als hervorragend bewertet. Wie schätzen Sie das ein?
Die Region Stuttgart ist ein hervorragender Ort zum Gründen, weil es viele Fördermöglichkeiten, Anlaufstellen und eine Szene gibt. Als ich 2008 meine erste Firma gegründet habe, dachte ich, wir seien die einzigen Verrückten, die hier gründen wollen. Mittlerweile ist eine tolle Szene entstanden, in der sich die Akteure kennen und es gute Anlaufstellen gibt wie Code_N, Accelerate Stuttgart, das Wizemann- oder das Leitz-Areal. Auch ein Netzwerk unter den Startups ist entstanden, unter anderem durch das Gründergrillen, die städtische und die regionale Wirtschaftsförderung sowie die Business Angels.
Welche Rolle haben Startups im Wandel?
Jedes Startup hat erstmal sein eigenes Interesse daran, zu überleben und nicht so zu enden wie neun von zehn Startups, die nach fünf Jahren nicht mehr existieren. Aber in ihrer Gesamtheit könnten sie der Mittelstand von morgen sein. Deshalb sollte eine Startup-freundliche Politik betrieben werden. Je mehr erfolgreiche Startups es gibt, desto mehr
entstehen auf ganz natürliche Weise Leuchttürme und Verbindungen zwischen Startups und Mittelstand.
Inwiefern lässt sich Startup-Kultur in etablierten Unternehmen einsetzen?
Startups sind Mittel zum Zweck, um an Innovationen ranzukommen, die möglicherweise in den internen Forschungslabors so nicht entstehen. Das reine Verordnen von Startup-Kultur durch den CEO reicht allerdings nicht. Was Unternehmen machen können, ist, die Rahmenbedingungen zu schaffen, dass im Unternehmen eine Startup-Kultur von unten entstehen kann. Man könnte beispielsweise Mitarbeitern einen Teil ihres Zeitbudgets geben, um sich mit verrückten Ideen zu befassen. So schafft man Freiräume und bietet die nötige Freiheit, um sich auszuprobieren.
Können auch mittelständische Unternehmen von Startups lernen?
Sehr viel! Und dennoch habe ich leider schon oft beobachtet, dass dort nicht immer gute Erfahrungen gemacht wurden. Beide Seiten beäugen sich oft skeptisch. Es reicht auch nicht, sich an einem Startup zu beteiligen und dann zu hoffen, dass der Strukturwandel gelöst sei. Ich muss mich als Unternehmer wirklich auf das Thema und die Szene einlassen, viel mit Startups in Kontakt treten und eigene Ressourcen bereitstellen.
Wie könnte man Gründern den Schritt zur Selbstständigkeit erleichtern?
Ich glaube, wir haben viel Nachholbedarf beim Thema Entrepreneurship Education, also das Vermitteln unternehmerischen Denkens und vor allem Handelns in den Universitäten und Hochschulen. Was meiner Meinung nach auch fehlt, ist das ‚Gründerstipendium für alle‘. Wir vom Bundesverband Deutsche Startups e.V. wünschen uns, dass es analog zur Elternzeit eine Gründerzeit gibt, bei der man beispielsweise zwölf Monate lang aus dem Job rausgehen kann, der Arbeitsplatz so lange warmgehalten wird, und man sich Zeit nehmen kann, um Gründungsideen zu verwirklichen.
Quelle: 179 Magazin, Fragen: Katharina Tomaszewski